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S21-Taktverkürzung: irgendwie, irgendwo, irgendwann

Es war einmal ein optimistisch und ökologisch, zukunftsweisend denkender Reinbeker Namens Thomas Hess. Vielleicht sollte man ihn lieber als hoffnungslosen Optimisten bezeichnen. Extra für ihn hat man eine Testreihe aufgebaut, um den Grad seiner Beharrlichkeit und Resignationstoleranz zu messen. Es ist möglich, dass dieses Projekt nun bald seinen Abschluss findet.

Was ist passiert? 

Im Jahr 2019 initiierte Thomas Hess unter Einbindung und Ansprache verschiedener Gremien, Medien und einer Petition sowie einigen Landespolitikern die Anregung, den Takt der – zum damaligen Zeitpunkt ohnehin unzuverlässig arbeitenden – S21 zwischen Aumühle und Bergedorf zu verkürzen. 

Ökologisch und dienstleistungstechnisch überaus in die Zeit passend. Nach Aussage des zuständigen S-Bahn-Chefs Kay-Uwe Arnecke wäre eine Taktverdichtung auf 10 Minuten kein Problem, grünes Licht also von der S-Bahnseite. So einfach sollte es jedoch nicht gehen, schließlich hat auch das Land Schleswig-Holstein ein Mitspracherecht (es trägt letztlich die Kosten).

Die Regierungskoalition wollte über ein Gutachten den gesamten Bedarf in Schleswig-Holstein quantifizieren. Die Erstellung dieses Gutachtens benötigte lediglich 1,5 Jahre, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass eine Taktverkürzung auf der S21-Linie sehr empfehlenswert sei. 

Gut, das hätte man auch ohne Gutachten erahnen können. Schon in den vor-1990er Jahren hatte man vermehrte Passagiernutzung bei den Schweizer Personentransportgesellschaften durch Taktverkürzung festgestellt. 

Aber wirklich gut: Gutachten liegt vor. Nach Informationen des Hamburger Abendblattes wurde in der Reinbeker Kommunalpolitik schon von einem „Quick Win“ gesprochen. 

Da die S-Bahnseite von sich aus jedoch nicht aktiv werden kann, hängt die Umsetzung nun von einer Priorisierungsliste – soll im Herbst 2021 vorliegen – des Landes ab, in der verschiedene Strecken in Schleswig-Holstein konkurrieren. 

Das ist allerdings nur ein Stolperstein, weiter zu ruckeln beginnt es mit der Aussage des Sprechers vom Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (Nah.SH), dass im Falle einer Auftragsvergabe zur Taktverdichtung eine Umsetzung erst in 1,5 Jahren nach Priorisierungslisten-Ergebnis realisiert werden kann. Das entspricht nicht ganz der Aussage von Kay Uwe Arnecke, aber wie soll er das als Geschäftsführer des Unternehmens auch wissen. Der Nah.SH ist darüber bestimmt viel besser informiert.

Probleme würden auch die corona-bedingten Mindereinnahmen bereiten, wodurch die künftige finanzielle Situation des ÖPNV vollkommen offen sei. Diese hat aber für die S-Bahn keinerlei Bedeutung, da ja das Land Schleswig-Holstein die zusätzlichen Fahrten bestellt und finanziert.

Das Gutachten selbst scheint in der Betrachtung des Nah.SH keine große Rolle mehr zu spielen. Wo der S-Bahn-Chef seinerzeit keine Umsetzungsprobleme sah, erscheint für den Nah.SH nicht einmal ein künftiger Personalbedarf abschätzbar. ZUDEM sei die Taktverdichtung zwischen Aumühle und Bergedorf nicht geplant! Begründet wird dies mit der bereits sehr guten, vorhandenen Situation im Landesvergleich UND die Nachfragepotentiale würden eine Ausweitung des Taktes nicht rechtfertigen!

Dem lassen sich viele Argumente entgegenstellen. So ist wahrscheinlich schon die aktuelle Anzahl der Fahrgäste gegenüber anderen Strecken erheblich höher. Die mangelhafte Zuverlässigkeit der S21 in Zusammenhang mit dem 20-Minuten-Takt lässt Fahrgäste dann doch lieber mit dem Auto nach Bergedorf und wenn nicht gleich weiter fahren. Durch den 10-Minuten-Takt würde diese Unzulänglichkeit etwas ausgeglichen bzw. vermieden werden.

Aus den Aussagen des Nah.SH resultierend stellt sich die Frage, warum überhaupt ein Gutachten gemacht wurde oder ist es dem Nah.SH nicht bekannt bzw. wird es bewusst zu Gunsten anderer Regionen ignoriert – es scheint, dass man sich wieder ein Gutachten hätte sparen können.

Eine gute Voraussetzung, im Falle des 10-Minuten-Taktes die täglich zusätzlich zu erwartenden 2.250 Fahrgäste weiterhin auf der Straße im PKW zu belassen – vielleicht sollten sie ins Home-Office wechseln oder dort verbleiben. Das wäre ein weiteres Gegenargument, auf das der Nah.SH noch nicht gekommen zu sein scheint, aber es lässt sich hier gerne liefern.

Der zuvor bezeichnete “Quick Win“ aus der Reinbeker Lokalpolitik scheint einen ziemlich und zudem nebeligen Zeithorizont zu erhalten. Zuzugestehen ist aber, dass es den Verantwortlichen gelungen ist, Thomas Hess eine anspruchsvolle, umfangreiche Resignationstoleranz-Testreihe vorzulegen – und auch nicht nur ihm.